Das Hochkreuz an der alten B 36 beim Friedhof
Dieses, ebenfalls als „Kleindenkmal“ bezeichnete Hochkreuz, hat im Jahre 2009 dem Verkehrsaufkommen am nordöstlichen Ortseingang seinen Tribut gezollt. Es wurde nämlich aufgrund des damaligen Kreiselbaues an seinen heutigen Standort am linken Wegrand, ganz in der Nähe des Friedhofes versetzt. Stolze 463 cm hoch und 124 cm breit prägt es kurz nach dem Ortsausgang in Richtung des Friedhofes das Bild. Gestiftet wurde es 1895 vom damaligen Besitzer und Gastwirt der „Krone“, Leo Bertsch. Diese Gaststätte befindet sich nur wenige hundert Meter von dem heutigen Standort entfernt auf der Badenstraße. Beim ersten Blick auf das Kreuz fallen zunächst die deutlich hervorgehobenen Vergoldungen der angedeuteten Engelsflügel auf. Sie sind an den Armen und Beinen des Christuskörpers zu sehen. Auch der Lendenschurz sticht durch die markanten Goldauftragungen hervor. An ihm ist besonders auffällig, dass er nicht, wie ansonsten üblich, um den Körper gelegt bzw. mit einem Seil befestigt dargestellt wird. Vielmehr wurde er vom unbekannten Bildhauer wie durch die Beine gezogen und über der Schamgegend liegend ausgearbeitet. Diese Darstellungsform findet sich in Bietigheim nur an diesem Kreuz. Der INRI-Hinweis am obersten Punkt des Längsbalkens ist hingegen bereits stark verwittert. An der fein ausgearbeiteten Dornenkrone, die zugleich mit den beschriebenen Kreuzesteilen im Jahre 2009 restauriert wurde, ist von dem damaligen Blattgoldauftrag nichts mehr zu erkennen. Christus ist mit geschlossenen Augen, geneigtem Kopf und mit weit über die Schulter hinab reichenden, langen Haaren dargestellt. Sein Körper wirkt kräftig, muskulös, im Gegensatz zu anderen Ausarbeitungen. Zu seinen Füßen steht seine Mutter Maria mit gefalteten Händen und nach oben gerichtetem Blick. „Warum konnte es nur so weit kommen, dass er am Kreuz sterben musste?“, dies scheinen die Gedanken zu sein, die ihr Gesichtsausdruck vermuten lässt. Ob der Künstler dies auch so meinte, ist nicht überliefert. Sie ist mit einem langen, vom Kopf bis zu den Knien reichenden Tuch bekleidet und trägt ein bodenlanges, mit vielen Falten ausgearbeitetes Kleid, das in der Taille gürtelartig gefasst ist. Schuhe trägt sie keine, wie man an einem Fuß, der zu sehen ist, erkennen kann. Die Madonna ist, wie das gesamte Kreuz, durch Witterungseinflüsse farblich deutlich gedunkelt. Den Unterschied zeigt besonders ein Vergleich mit Bildern aus der letzten Restauration im Jahre 2009. Hier erscheint der ursprünglich helle Sandstein noch strahlend und freundlich. Der Verfasser oder die Verfasserin des Textes auf dem Sockel scheint sich gewissermaßen in den am Kreuz verweilenden Menschen hinein zu versetzen. Er wird mit einer Frage angesprochen, aber zugleich wird ihm auch die Antwort gegeben: „Was will das Kreuz, das am Wege steht? Es will dem Wanderer, der vorüber geht Das grosse Wort des Trostes sagen. Der Herr hat deine Schuld getragen. Gestiftet von der Familie L. Bertsch 1895.“ Ein Grund, weshalb es zu dieser Stiftung dieses mit 4,63 Metern größten Kreuzes auf unserer Gemarkung kam, ist nicht mehr bekannt. Heute befindet es sich im Eigentum der Gemeinde Bietigheim.
Text u. Bild: Hermann Schmitt