Das Flurkreuz im Gewann "Kalbert"
Erstmals in der Reihe der bisher an dieser Stelle vorgestellten Flur- und Wegkreuze führt der Weg einige Meter aus dem eigentlichen Ortsetter hinaus, will man zu diesem Hochkreuz gelangen. Es steht bereits seit vielen Jahrzehnten im Gewann Kalbert, in der Verlängerung der Breite Straße, zwischen dem Schmiedbach und dem Federbach. Ursprünglich stand es einmal "irgendwo auf der Hardt". Später fand es vermutlich einen neuen Platz an der Kreuzung der Rheinstraße in die alte B 36, wie ältere Bietigheimer sich noch erinnern können. Dies lässt sich heute jedoch nicht mehr exakt nachweisen. Als Stifter sind auf dem Sockel F. Anton Bertsch und dessen Ehefrau Theresia Bertsch verzeichnet (1855). Franz Anton Bertsch wurde am 14. April 1800 als Sohn des Anton Bertsch und seiner Ehefrau Katharina, geb. Heck geboren. Er heiratete am 9. Nov. 1829 Theresia Schröder. Sie wurde am 5. April 1805 als Tochter der Eheleute Martin Schröder und Marianne, geb. Bertsch geboren. Das einzige Kind des Stifterpaares hieß Hieronymus. Er wurde am 12. Nov. 1846 geboren, starb jedoch im zarten Alter von drei Jahren am 30. Dezember 1849. Das Ehepaar hatte keine weiteren Kinder mehr. Spätere Besitzer des Kleindenkmals waren Pius, geb. 24. August 1880 und dessen zweite Ehefrau Rosa Matz, geborene Hartmann, geb. 5. Oktober 1905. Die früh verstorbene erste Ehefrau hieß Theresia Matz, geb. Matz. Sie führten einige Jahre lang eine Bäckerei in der Ritterstraße 12. Der weitere Besitzer in der Erbfolge hießen Willi Jost und Rösl, geb. Matz. Sie verstarb bereits im Jahr 1974. Die heutigen Eigentümer sind die Söhne Jürgen und Peter Jost sowie deren Tochter Wilma Moos, die Enkel des Bäckers Pius Matz. In den Jahren 1994 und 2004 wurde das "Kalbert-Kreuz" jeweils einer Restauration unterzogen, wobei besonders zu erwähnen ist, dass während der Überarbeitung im Jahre 2004 ein Brandanschlag auf das Kleindenkmal verübt wurde. Dies hat die damaligen Arbeiten erheblich verzögert und natürlich auch verteuert. Bis heute weiß man nicht, wer diesen gemeinen Frevel begangen hat. Alljährlich findet an dem Kreuz eine Maiandacht statt, zu der die Katholische Frauengemeinschaft Bietigheim einlädt. Aufgrund der aktuellen Situation ist diese Feier jedoch 2020 und auch in diesem Jahr ausgefallen.Das Kruzifix wurde im Jahre 1855 aus hellem Sandstein geschlagen und erreicht eine Höhe von 4,13 Meter. Der Querbalken misst 1,10 Meter. Steht man still vor dem Kreuz und betrachtet es, so wie es der Sockeltext anregt, fällt zunächst auf, dass unterhalb des Christuskorpus eine Marienstandbild seinen Platz gefunden hat. Maria, als die Gottesmutter verehrt, wird mit nach oben zu Jesus hin gewendeter Kopfhaltung und gefalteten Händen dargestellt. Ein langes Kopftuch erstreckt sich bis auf die schmalen Schultern und ein weiteres Tuch umhüllt den Hals bis hin zum Kinn. Diese Tücher sind weiß, während ihr Mantel in dem typischen Himmelblau gehalten ist. So ist es bei den allermeisten Mariendarstellungen in der Kunst der Fall. Blau symbolisiert nämlich die Vermittlung zwischen dem Himmel und der Erde, dem Göttlichen und dem Irdischen. Maria selbst gilt im Christentum als die Fürsprecherin der Menschen vor Gott. Das Kleid, das Maria trägt, ist in einer rötlich-braunen Farbe gehalten und reicht mit vielen Falten und detailliert ausgearbeitet bis zu den hellen Schuhen, die knapp unter dem Saum zu sehen sind. Unmittelbar über ihr, auf dem Längsbalken, findet sich ein Engelskopf, auf dem die überkreuzten und von einem Nagel fixierten Füße des Gekreuzigten ruhen. Der dargestellte Christus ist nur mit einem faltenreichen, ursprünglich in hellem Gelb/Gold gehaltenen Lendentuch bekleidet. Seine Augen sind geschlossen, der Kopf ist nach rechts unten geneigt. Ein Vollbart ist zu erkennen. Auf dem Haupt sitzt eine fein ausgearbeitete Dornenkrone, unter der Blut hervorquillt, worauf die noch gut zu erkennende rote Färbung hinweist. Sie soll sicher auf die vorangegangene Folterung hinweisen. Der "König der Juden", wie das rot geschriebene INRI am oberen Ende des Längsbalkens ausweist, trägt in dieser Kreuzigungsdarstellung schulterlanges, gewelltes Haar. Drei Nägel, mit denen die Arme am Querbalken und die Beine am Längsbalken fixiert wurden, sind ebenfalls in Rot dargestellt. Jeweils ein Engelskopf begrenzt wieder die Enden des Quer- sowie des Längsbalkens. Auch bei ihnen waren die angedeuteten Flügel, die sich um den kleinen Kopf legen, ursprünglich golden ausgemalt.
Dieses Kreuz erfüllt in sehr gut erkennbarer Weise seine Aufgabe als Wegkreuz, wie der Text auf dem rechteckig geschnittenen Sockel zu erkennen gibt. Es spricht alle an, die an ihm vorbeigehen, insbesondere den "Wandersmann", der also einen gewissen Weg (seines Lebens) bereits hinter sich hat und noch eine, ihm möglicherweise sogar unbekannte Wegstrecke bewältigen muss. Sind wir in diesem Sinne nicht alle Wanderer? Insofern könnte auch uns dieser Text vielleicht persönlich berühren: "Steh hier still o Wandersmann, schaue da dein Vorbild an und gedenk, dass Jesus Christ für dein Heil gestorben ist. Gelobt sei Jesus Christus". Auf der linken Sockelseite ist der Hinweis auf das Stifterehepaar eingemeißelt: "Gestiftet von F. Anton Bertsch u. dessen Ehef. Theresia geb. Schröder 1855". Das Wegkreuz wird von Cornelia Prestenbach aus der Rheinstraße 4 regelmäßig mit Blumenschmuck versehen und gepflegt. Wie sie erzählte, hat sie diese Aufgabe bereits von ihren Eltern Franziska und Werner Gerstner übernommen, die in der Leopoldstraße wohnten. Die Eltern ihrer Mutter sind nämlich im Jahre 1956 nach Kanada ausgewandert und dort beide im Jahre 1989 verstorben. Da ihre Tochter Franziska hier in Bietigheim lebte und damit keinerlei Möglichkeit hatte, im Sinne einer Grabpflege ihrer Eltern zu gedenken, hatte ihr Mann Werner bei der Gemeinde nachgefragt, ob die Pflege dieses Kreuzes in Zukunft von ihnen übernommen werden könnte. So nahm die Kreuzanlage fortan eine Stellvertreterfunktion für das Elterngrab ein. Auf diese Weise hielten sie das Andenken an die im fernen Kanada verstorbenen Eltern wach. Dieses Anliegen führt Cornelia Prestenbach nunmehr in der zweiten Generation bis heute fort und so sorgt sie dafür, dass das Kreuz im Gewann "Kalbert" sich für die Vorbeikommenden stets in einem sehr gepflegten und würdevollen Zustand zeigt. Heute befindet sich das Kreuz im Privateigentum der Erbengemeinschaft Jost.
Text u. Bild: Hermann Schmitt